Maibaumstehlen in Kerschbaum mit Folgen.
Maibaumstehlen ist ein uralter Brauch, bei dem es auch öfters zu Raufereien und Meinungsverschiedenheiten kam. Auch wir jungen Kerschbaumer Burschen ließen diesen Brauch nicht abkommen und an einem wunderschönen Maimorgen um drei Uhr morgens machten wir uns auf den Weg in ein Nachbardorf um das begehrte Objekt zu stehlen, mit einer Heftsäge, die mit Lappen schallgedämpft war. So konnte man ganz leise schneiden. Der Maibaum wurde gefällt. Alles klappte wunderbar, nur der Hofbesitzer wurde trotz aller Vorsicht wach. Also musste der Maibaum entfernt werden, ehe der Bauer seine Hose anzog und aus dem Hause kam. Der Baum wurde auf ein Wagengestell gehoben und festgebunden. So fuhr der Traktor mit dem Maibaum Richtung Kerschbaum. Einige Kollegen und ich trugen den Wipfel, der abgebrochen war, auf einer anderen Strecke nach Hause. Vor Kerschbaum fingen wir vor Freude über den gelungenen Diebstahl schon zu singen an. Wer aber nicht in Kerschbaum angekommen war, waren die Kollegen mit dem Maibaum. Ihnen begegnete bei ihrer Heimfahrt ein Jäger, der in sein Revier fuhr und auch Gendarmerie-Postenkommandant war. Da verließ die Unglücklichen der Mut. Sie ließen den Baum auf der Straßenmitte liegen und der Jäger fuhr mit seinem Auto auf den Baum auf.
Das Auto hatte nur einen kleinen Schaden und der Jäger hätte bei einer Wiedergutmachung des Schadens ein Auge zugedrückt. Der Bauer aber brachte den Diebstahl vor Gericht. Eines Tages war dann die Verhandlung in Linz. Vor dem Richter standen fünfzehn zittrige Bürschlein, denen wegen Geldmangel ein Armenanwalt zur Verfügung gestellt wurde. Der Bauer war Hauptzeuge, seine Aussage hörte sich so an: „Heaa Roood, des Gesindl hood si den Maibaam aunaignen wuiiin und gheert dafir gheerig gschdrooft." (=Herr Rat, dieses Gesindel hat sich den Maibaum aneignen wollen und gehört dafür ordentlich bestraft). Richter: „Zeuge, diese jungen Menschen sind kein Gesindel, sie sind österreichische Staatsbürger wie Sie und ich.“ Das hinderte den Richter aber nicht uns fünfzehn Bürschlein zu 10.000 Schilling Strafe zu verdonnern. Die ärgste Strafe aber war, als wir unseren Eltern die Erlagscheine (=Einzahlscheine) für die Strafe unterbreiteten.