Skelettfunde „Am Schanzl“ in Kerschbaum

Skelettfunde „Am Schanzl“ in Kerschbaum.

Eines Tages, es mochte in den dreißiger Jahren gewesen sein, sorgte einer unserer Knechte, der Michei, für große Aufregung. Der Michei hatte auf einem Grundstück mit dem bezeichnenden Namen „Am Schanzl" ein Häuflein Menschenknochen, darunter zwei Totenschädel ausgeackert. Gründlich und neugierig wie er war, hatte er sich dann die Zeit genommen, den makabren Fund von Sand und Erdkrume zu säubern. Er packte ihn in den Jausenzöger und legte ihn daheim der Bäuerin auf den Tisch. Im Nu hatte sich das ganze Hausgesinde schaudernd um die schon arg mitgenommen menschlichen Relikte versammelt und mutmaßte voll Mitleid, auf welche Weise die beiden wohl umgekommen sein mochten und warum sie nicht wie andere Christenmenschen auch, ein ordentliches Begräbnis bekommen haben. „Die zwei müssen in geweihte Erde", entschied die Bäuerin, meine fromme gute Mutter, kam aber im Pfarramt von Rainbach gar nicht so gut an, wie sie sich das vorgestellt hatte. „Die kommen mir nicht auf meinen Friedhof, das sind Heiden gewesen, Evangelische aus den Bauernkriegen." So in etwa lautete der abschlägige Bescheid und gleichzeitig die Anordnung: „Der Michei soll sie wieder dort einackern, wo er sie gefunden hat." Dabei blieb es und weil da nichts zu machen war, geschah es auch so. Der Michei ackerte die beiden wieder dort ein, wo er sie gefunden hat.

Die beiden Totenschädel dürften wegen des harten Umbettens schneller verrottet sein und so endlich ohne Schwierigkeiten mit ihrem Glaubensbekenntnis die ewige Ruhe gefunden haben. Vieles hat sich seither am Kerschbaumer Sattel veränderl. Der Ackersmann geht nicht mehr hinter dem Pflug her, wo ihm kein Knöchelchen entgangen ist. Als Student habe ich noch zwischen dem Schanzl, Krainerbühel und Blöcherhöf Menschenknochen als geschichtliche Souvenirs für meine Sammlung finden können. Skelettfunde gibt es schon lange nicht mehr. Die schweren Ackergeräte drücken alles platt. Ein so strenges Urteil Andersgläubigen gegenüber, wie oben beschrieben, ist heute undenkbar.

Erstmals veröffentlicht in der Mühlviertler Kulturzeitschrift 3/1991

Kerschbaum
1932
Verfasser

Hans Stumbauer (geb.1911)

  • 2003, wohnhaft zuerst in Kerschbaum, dann in Linz, zuletzt in Rainbach i. M.
Info

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