Saustechen

Saustechen.

Einmal oder öfters im Jahr (vielfach am Thomastag, 21. Dezember), je nachdem wie groß die Familie war, wurde zur Selbstversorgung des bäuerlichen Haushaltes ein Schwein geschlachtet. Früher als sonst in der kalten Jahreszeit begann in Haus und Hof noch im Dunkeln einemsiges Treiben. Ein Kessel wurde angeheizt, um heißes Wasser für die "Saurasur" zu haben. Auch der Sautrog, in dem das Schwein gewaschen und von den Borsten befreit wurde, sowie der "Fleischstock", ein hölzerner Tisch, aus einem Stück zugehauen, auf dem die Sau dann zerlegt wurde, mussten bereitgestellt werden. Denn der "Saustecher" wurde bald erwartet. Dieser war im allgemeinen ein Fleischhacker oder jemand, der von der Sache etwas verstand. Nach einem aufwärmenden Stamperl machte man sich an die Arbeit. Was bei den Erwachsenen schon längst zur Routine geworden war, versetzte die Kinder in Spannung und leichtes Schaudern.

Zuerst wurde das vorbestimmte Schwein aus dem Stall herausgeholt, was nicht ganz einfach war. Alle Männer des Hofes halfen mit, das wild herum rennende Schwein abzufangen und es auf den Schlachtplatz im Hof zu bringen. So ein ungefähr 180 kg schweres Schwein entwickelte ganz schöne Kräfte, und es bedurfte seitens der Männer großer Anstrengung, es auf den Boden zu zwingen und festzuhalten, damit es nicht entkam. War es soweit, kniete der Saustecher darauf und stach dem Schwein mit einem schnellen, gekonnten Stoß das Messer durch die Gurgel, um die Schlagader zu durchtrennen. Sogleich schoss in einem dichten Strahl das Blut heraus. Da stand schon die Bäuerin mit einem Weitling (Blutschüssel) bereit, um es unter heftigem Umrühren aufzufangen. Mit der Hinzugabe von Salz und dem Rühren verhinderte man nämlich eine vorzeitige Gerinnung. Das Blut verarbeitete man zu Blunzen.

Das tote Schwein wurde schließlich in den Sautrog gezerrt, mit "Saupech" eingerieben, mit kochendem Wasser übergossen und mehrmals darin mit zwei langen, feingliedrigen Ketten gewendet. Die Borsten schabten die Männer mit "Sauglocken" (das sind gestürzte Trichter mit einem Haken obenauf) ab. Sie zogen dann das Schwein auf eine Leiter, die über den Sautrog geschoben wurde. So lag nun das Schwein frei über dem Sautrog auf der Leiter. Mit kaltem Wasser übergossen und geputzt, wurde es dann mit einem scharfen Messer glattrasiert. Der Haken der "Sauglocke" diente dem Saustecher zum Abziehen der Klauen. Anschließend "flakselte" er das Schwein, d. h. bei den Hinterfüßen wurden die Sehnen freigelegt. Die Sau wurde danach auf den "Fleischreim" aufgehängt. Das war ein Querbalken mit mehreren hölzernen Haken, der auf zwei etwas schrägstehenden Holzfüßen befestigt war.

Zuerst wurde der Schädel abgeschnitten, damit das Schwein vollends ausbluten konnte. Alsdann ging es ans Zerlegen. Der Abstecher öffnete den Bauch, und die herausquellenden Därme wurden auf dem Nudelbrett aufgefangen. Damit begab sich die Bäuerin in die Küche, wo heißes Wasser bereitstand, in welches die Därme gelegt wurden, nachdem sie deren Inhalt noch im Freien herausgedrückt hatte. Die Därme wurden gut durchgespült, solange, bis sie ganz durchgewaschen und sauber waren. Mit dem "Darmschaber" befreite man sie noch vom restlichen Fett. Der "Darmschaber" war ein ca. 15 cm langes Holzstück mit einer Kerbe. Bis zur weiteren Verarbeitung wurden die Därme in kaltem Wasser, dem man eine aus Zwiebeln, Pfeffer, Salz und Knoblauch bestehende Mischung beigefügt hatte, aufbewahrt. Nachdem der Saustecher das Schwein noch in zwei Hälften auseinanderschnitt, war seine Arbeit beendet. Für die Mühe bekam er zur Stärkung eine kräftige Jause. Mancherorts wurde ihm auch das Hirn serviert. Vom Sauschädel wurde das Hirn herausgelöst und in kaltes Wasser gelegt. Anschließend im Salzwasser gekocht, abgeseiht, in einer Pfanne mit Fett leicht angeröstet und mit Eiern verrührt, ergab dieses Essen auch eine ausgezeichnete Mahlzeit.

Zur Auskühlung lagerte der Bauer die Schweinehälften über Nacht in einem kühlen Raum. Nächsten Tag wurden sie in ihre Teile zerlegt.

Nach einem Gespräch des Artikelautors Stefam Eder mit Maximilian Leitner (geb. 1908, ehemals wohnhaft in Summerau 122) und den Familien Brandstetter aus Vierzehn.
Erstmals veröffentlicht in dem Buch „Der Freiwald – Dorferinnerungen“ vom Arbeitskreis Geschichte und Kultur im Freiwald, erschienen im Verlag Bibliothek der Provinz, 3970 Weitra.

Gemeinde Rainbach
1950
Fotos
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War es soweit, kniete der Saustecher darauf und stach dem Schwein mit einem schnellen, gekonnten Stoß das Messer durch die Gurgel, um die Schlagader zu durchtrennen. Sogleich schoss in einem dichten Strahl das Blut heraus. Da stand schon die Bäuerin mit einem Weitling (Blutschüssel) bereit, um es unter heftigem Umrühren aufzufangen. - Bildleihgeber: Herbert Gruber, Summerauer Straße 35, 4261 Rainbach i. M. (Fotograf: Mottl, Wien)
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Die Borsten wurden mit "Sauglocken" (das sind gestürzte Trichter mit einem Haken obenauf) abgeschabt. - Bildleihgeber: Herbert Gruber, Summerauer Straße 35, 4261 Rainbach i. M. (Fotograf: Mottl, Wien)
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Nachdem der Saustecher das Schwein noch in zwei Hälften auseinanderschnitt, war seine Arbeit beendet. - Bildleihgeber: Johann Lonsing, Summerau Mitte 23, 4261 Rainbach i. M.
Verfasser

Stefan Eder (geb. 1955), Vierzehn 27, 4240 Freistadt

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