Heuernte Summerauer Bauern in Tschechien nach der Grenzöffnung.
In unserer Gegend war 1992 ein sehr niederschlagarmes und trockenes Jahr. Und auch in Summerau klagten die Landwirte über schlechte Heuernten und massive Futterausfälle.
In dieser Notlage hatte der Bauer Johann Rudlstorfer, der „Baiernaz“, die Idee, doch in der Tschechoslowakei, im ehemaligen „Niemandsland“, gleich drüber der Grenze, Heu abzuernten. Dort waren noch immer Grundstücke, die nur teilweise, oder überhaupt nicht bewirtschaftet wurden. Und seit 1. Juli 1990 gab es ja zwischen Österreich und der Tschechoslowakei offiziell den freien Grenzverkehr. Also beschlossen die Bauern Rudlstorfer („Baiernaz“), Glasner („Schneiderbauer“), Weißenböck („Froscherbauer“), Traxler, Jagsch („Hoiner“) aus Summerau und Weinzinger und Kastler aus Paßberg sich gemeinsam um eine Ernteerlaubnis in Ceske Herslak (Böhmisch Hörschlag) zu bemühen. Ihre Wahl fiel auf eine größere Fläche aus einem nicht bewirtschafteten Kolchosen-Areal, gleich links nach dem ehemaligen Grenzübergang Ceske Herslak. Der „Baiernaz“ nützte seine guten Kontakte zu einem Fahrdienstleiter am Bahnhof Summerau und dieser wieder zum Fahrdienstleiter in Oberhaid (Horni Dvoriste). Von den beiden sollte dann in Folge auch der Bahntransport mit der Waggonbereitstellung in Oberhaid und die ganze Zollabwicklung koordiniert werden. Und der Fahrdienstleiter aus Oberhaid war auch der Vermittler zur Kolchose in Ceske Herslak, die für die ausgewählte Erntefläche zuständig war.
Alles organisiert, konnte im September 1992 mit der Gemeinschaftsernte in der Tschechien begonnen werden. Und so fuhren die Bauern „Baiernaz“, „Froscherbauer“, Traxler, „Hoiner“, Weinzinger und Kastler dann an einem Montagmorgen mit ihren Traktoren zu der für sie zur Ernte freigegebenen Grünfläche. An diesem Tag noch eine Stunde lang die 24 Kilometer über den offiziell geöffneten Grenzübergang Wullowitz. Nebenübergänge und andere Wege über die Staatsgrenze waren ja noch nicht offiziell freigegeben.
An diesem ersten Tag mähten sie mit ihren sechs Trommel- und Kreiselmähwerken das komplette zugeteilte Areal. Eine mühevolle Aufgabe bei dem groben, hochstehenden Futter, den vielen Unebenheiten und den vorstehenden Schachtdeckeln mitten in der Wiese. Am Abend ging es dann mit den Traktoren über Wullowitz auch wieder heim. Zur Mittagsrast und manchmal auch zur Abendjause wurde in den folgenden Tagen in der Bahnhofsresti in Böhmisch Hörschlag eingekehrt.
Am Dienstag fuhren die gleichen sechs Akteure zum Heuwenden (Kreiseln). Da ihnen aber der lange Weg über Wullowitz letztlich doch zu beschwerlich war, wurde am Abend die Heimfahrt über den, noch nicht offiziell freigegebenen, ehemaligen Grenzübergang Deutsch Hörschlag versucht. Hier ging es auf wesentlich kürzerem Weg heim ins Dorf Summerau. Und da dies problemlos funktionierte und mit acht Kilometer und einer Fahrzeit von 20 Minuten doch erheblich kürzer war, wurde in Folge nur noch über Deutsch Hörschlag und manchmal auch über Zulissen und die ehemaligen „Stierhäusl“ gefahren. Um die immer für die nächsten Tage in Tschechien zurück gelassenen Erntegeräte hatte man sich Gott sei Dank umsonst Sorgen gemacht.
Ab Mittwoch fuhren dann die fünf Bauern „Baiernaz“, „Froscherbauer“, Traxler, Weinzinger und Kastler zu ihrer täglichen Erntearbeit über die Grenze.
Für Donnerstag hatte die Summerauer Interessensgemeinschaft „Heuernte in Tschechien“ den „Bischinger“ (Preinfalk) aus Rauchenödt beauftragt. Dieser hatte bereits eine, damals noch eher seltene, fahrbare Traktor-Heupresse. Damit verpresste er an einem Tag das gesamte aufgeschwadete (zusammengerechte) Heu zu Ballen.
Diese 280 Stück Ballen wurden dann am Freitag mit Traktorfrontladern auf mitgebrachte Anhänger geladen und mit diesen zum Bahnhof Oberhaid transportiert. Dort galt es die Ballen noch am gleichen Tag auf vier von der Tschechischen Eisenbahn bereitgestellte Eisenbahnwaggons zu verladen und für den Transport zu sichern. Das ganze Be- und Entladen musste ja aus Kostengründen jeweils an einem Tag durchgezogen werden.
Am Samstag folgte der Eisenbahntransport der zollbehandelten Heuballen zum Bahnhof Summerau. Hier entluden die Bauern „Baiernaz“, Traxler und „Froscherbauer“ die Waggons und die Ballen wurden an die sieben Bauern der Interessensgemeinschaft aufgeteilt.
Rückblickend sehen die Interviewten das „grenzübergreifende Heuernten in Tschechien“ als eine gelungene Gemeinschaftsaktion. Die Futterqualität war zwar grobes, altes Pferdeheu, aber der sehr günstige Preis bei der tschechischen Kolchose und die gute Organisation haben das durchaus wett gemacht. Und nicht zu vergessen, es gab dadurch genug Futter im Stall!
Anmerkung zum Schluss: „Danach kam eine längere Regenzeit!“
Fotos
Verfasser
Ing Johann Lonsing
Summerau Mitte 23, 4261 Rainbach i.M.
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