Geschichtliche Hintergründe der Bauernschanzen in Kerschbaum

Geschichtliche Hintergründe der Bauernschanzen in Kerschbaum.

Vorgeschichte - Nicht lange nachdem der kath. Kaiser Ferdinand II. vereint mit Maximilian I., der Führer der kath. Liga von Bayern war, den Aufstand des protestantischen Adels in OÖ. und Böhmen niedergeworfen hatte, nahm er den heiß gehegten Gedanken wieder auf, durch Zurückführung der Untertanen zur kath. Religion seinen Ländern den lang entbehrten inneren Frieden zu geben. Durch die Patente vom 30. Juli und 20. August 1624 wurde dem Statthalter vom Kaiser die Entfernung der protestantischen Prediger und Schulmeister aufgetragen. Der Adel, die Beamten und die Bevölkerung waren jedoch in überwiegender Mehrheit protestantisch. Da es jedoch an kath. Priestern fehlt, stellte man Geistliche aus aller Herren Länder vorwiegend italienische Priester aus Südtirol in Österreich an. Diese sprachen jedoch meist nicht Deutsch und konnten die Messe nicht in der Landessprache der Bevölkerung halten. Dies führte im Jänner 1625 zu ersten Unruhen in Natternbach. Dort wurde der Dechant Blasius de Livo und der von ihm eingesetzte italienische Pfarrer von einigen hundert Bauern mit Steinen beworfen und verjagt.(1) Als sich im Mai 1625 in Frankenburg am Hausruck ähnliches ereignete, wollte der bayerische Statthalter Adam von Herberstorff ein Exempel statuieren. Auch dort war zuvor der protestantische Pfarrer vertrieben worden, was einen Aufstand der Bauern und Bürger ausgelöst hatte. Das Schloss Frankenburg wurde belagert und der neue kath. Pfarrer verjagt. Doch nach 3 Tagen gaben die Aufständischen dem Gnadenangebot des bayerischen Statthalters nach: Es kam zum berüchtigten Frankenburger Würfelspiel, bei welchem 17 mutmaßliche Rädelsführer gehenkt wurden. Der kath. bayerische Statthalter glaubte der Bevölkerung jeglichen Mut für weitere Aufstände genommen zu haben, doch er sollte sich schwer täuschen, als 1 Jahr später, im Mai 1626, ein sorgfältig geplanter Bauernaufstand in Oberösterreich ausbrach.(2) Zu dieser Zeit war unser Land und unsere Gegend fast ausschließlich protestantisch. Bei einer Bittprozession in Freistadt im Jahre 1626 nahmen an die 1.000 Protestanten teil. Wenn man bedenkt, dass Freistadt damals nur um die 2.000 Einwohner hatte (zum Vergleich: Im Jahre 1557 zählte Freistadt nur 1.451 Einwohner) und dass viele Protestanten, Kinder und Erwachsene der Geschäfte halber oder freiwillig an dieser Prozession nicht teilnahmen, so beherbergte Freistadt damals nur ein kleines Häuflein von Katholiken.
Es wurde nun versucht, das Land mit aller Gewalt wieder katholisch zu machen. Die Leute wurden von Soldaten in die Kirche zur Messe und zur Kommunion getrieben. Die Bevölkerung stand den katholischen Missionspredigern jedoch sehr negativ, ja sogar feindlich gegenüber. Der katholische Priester Falbius, der in Enns und anschließend in Freistadt missionierte, teile am 23. April 1626 in einem Schreiben dem Prälaten von Linz seine Sorgen und Probleme mit. Er sei, so schrieb er, „seit 9. April in Freistadt und finde die Leute roher und hartnäckiger bezüglich des Übertrittes (zum kath. Glauben) als in Enns; das sei natürlich, sie grenzten ja um so viel näher an Böhmen. Doch mache sie mehr ihre verzweifelte Lage als die Bosheit unempfänglich. Er lasse sich in seiner Wirksamkeit nicht beirren, doch erkenne er, dass nur durch die Liebe zum ewigen Leben und durch die Furcht vor der Hölle die Zuhörer zu bewegen sind. 10 Personen haben Bekehrung versprochen, 17 wollen weitere Unterweisung, die übrigen Bürger denken ans Auswandern.”(3)

Auch in der Kirche zu Lasberg predigten von 1571 bis 1623 protestantische Prädikanten. Erst am 15. Juni 1625 konnte wieder ein kath. Pfarrer namens Wolfgang Hasenberger in Lasberg Fuß fassen. Wie wenig erfreulich die Ankunft des kath. Pfarrers war, lässt sich denken. Die Bevölkerung hasste den neuen Pfarrer und fügte ihm sehr viel Leid zu. Allein das entmutigte den neuen Pfarrer in seiner Arbeit nicht und versuchte, seine Herde wieder auf andere Wege zu bringen. Indessen war noch kein Jahr vergangen, als der Ausbruch des großen Bauerkrieges wieder vernichtete, was der Pfarrer mühsam aufgebaut hatte.
In Lasberg brach nach Hasenbergers eigenhändigen Aufzeichnungen der Aufruhr am 15. Mai 1626 aus. Der Pfarrhof wurde von den Bauern geplündert und zerstört, während der Pfarrer nur mit Not das nackte Leben retten konnte. Er flüchtete in die Steiermark, von wo er nach Genesung von einer schweren Krankheit erst am 27. Juni 1627 wieder nach Lasberg zurückkam. Er musste mit seiner Aufbauarbeit wieder von vorne beginnen. Da er im Pfarrhof nicht mehr wohnen konnte, lebte er 20 Wochen beim Bäcker Christoph Baumgartner.(4)
Die kriegerischen Auseinandersetzungen: Neben der Religionsfrage trugen auch soziale und politisch-rechtliche Missstände sowie die Belastungen seit den letzten Bauernunruhen von 1595 zu diesem blutigen Bauernaufstand 1626 bei. Hinzu kam die Einquartierung fremder Soldaten und die gnadenlose Hand des Grafen Herberstorff. Der Bauer ob der Enns stand daher auf, um gegen Fremdherrschaft, Ausbeutung und gewaltsame Bekehrung zum kath. Glauben zu demonstrieren. Zentrum des Aufstandes war die Gegend um Peuerbach, Natternbach, Neunkirchen am Wald und St. Agatha, von wo auch die beiden Bauernführer Stefan Fadinger und Christoph Zeller stammten.
Das Bauernheer eroberte Wels und Steyr und begann Enns, Linz und Freistadt zu belagern. Die Belagerung von Freistadt begann am 29. Mai 1626, elf Tage nach Ausbruch des Aufstandes.
Nach zeitgenössischen Berichten zu schließen, dürften hauptsächlich Bauern aus der näheren und weiteren Umgebung an dem Aufstand in Freistadt beteiligt gewesen sein. Jedenfalls haben wir Kunde von einem „Siegmund Prammer von Grienpach“ und einem „Martin Tiernessl zu Rauchen Edt“ neben Bauern aus Windhaag, Rainbach, Lasberg, Oberschwandt, St. Oswald, Reichenthal und Schenkenfelden. (5)
Über die Belagerung und Eroberung von Freistadt wissen wir sehr gut Bescheid, weil der damalige Stadtschreiber Johann Neurattinger in der Belagerungszeit vom 28. Mai bis 16. August 1626 ein Tagebuch führte. In der eingeschlossenen Stadt gab es eine Besatzung von etwa 150 Soldaten unter Führung von Hauptmann Soccolowsky. Mangel an Getreide, Munition und Waffen, besonders an Pulver, zeigten, dass es mit der Verteidigung der Stadt nicht allzu gut bestellt war. Die Zahl der Bauern, die bei der Eroberung der Stadt eindrangen, wird von Dr. Corner mit 4.000 Mann angegeben. Belagerer waren jedoch mehr, denn andere Quellen geben 8.000 bis 10.000 Mann an. Wahrscheinlich schwankte die Anzahl der Belagerer täglich, da ein großer Teil in der nächsten Umgebung zuhause war - wie etwa die Bauern aus der Gegend um Rainbach - und daher mit leichter Mühe Haus und Hof erreichen konnten.
Bereits am 29. Mai wurde die Stadt von den Belagerern aufgefordert, sich zu entscheiden, ob man die Bauern einlassen und überhaupt zu ihnen halten wolle oder nicht. Zugleich wurde das Brunnen- und das Mühlwasser der Stadt abgegraben. Die Bauern ließen auch keine Lebensmittel mehr in die Stadt gelangen und unterbanden jeden Verkehr mit der Außenwelt.
Bauernhauptmann Haydn schien zunächst den Weg friedlicher Verhandlungen einzuschlagen. Er war bereit, zusammen mit fünf anderen Unterhändlern der Bauern in die Stadt hineinzugehen, wenn die Bürger sechs aus ihren Reihen zu den Bauern hinausschickten. Bei den bäuerlichen Unterhändlern wird unter anderen auch „Hannsen Puechmayr von Rainpach“ genannt. Er dürfte somit der Anführer der Rainbacher Bauern gewesen sein. Wenige Tage später kam es jedoch wieder zu Feindseligkeiten. Als sich Stadthauptmann Soccolowsky in der Nähe des Böhmertores unvorsichtig postierte und auf die Bauern geschossen hatte, traf ihn eine Kugel tödlich in den Kopf. Den Bauern wurde der Tod des Hauptmannes gleich verraten. Jetzt bekamen sie Mut und stürmten in den Morgenstunden des 1. Juli 1626 die Stadt.
Die Bauern schlugen in der Stadtmauer beim runden Turm, wo sie den „Teicht“ abgelassen, eine Bresche und drangen ohne größere Gegenwehr in die Stadt ein. Die siegreichen Bauern wüteten nun in der Stadt fürchterlich. Sie plünderten zunächst die Häuser der katholischen Bürger. Bürgermeister Georg Pader, der todkrank im Bett lag, schlugen sie eine Wunde im Kopf und warfen ihn aus dem Bett. Pader starb kurz darauf. Die Bauern begruben ihn sang- und klanglos im Friedhof vor der Stadt. Dann drangen die Eroberer gewaltsam in das Schloss ein, brachen alle Zimmer und Gemächer auf, zerhackten Kästen und Truhen und raubten das vorhandene Gut. Einen Monat lang hatten die Bauern in der eroberten Stadt das Sagen. Die protestantischen Prädikanten konnten nun wieder wie früher ihr Amt ausüben.
Die Wende im Geschehen trat ein, als vom Raume Hohenfurt in Böhmen kaiserliche Soldaten unter Führung von Oberst Preuner mit etwa 1.000 Reitern und Fußvolk sich von der Grenze näherten. Zur besseren Verteidigung von Freistadt warfen die Bauern in Kerschbaum mächtige Schanzen auf. Als dann auch tatsächlich am 6. August Oberst Preuner mit seinen Soldaten von Norden her eindrang, nützten die Befestigungsanlagen nicht viel. Die Bauern unterlagen nach dreitägigem Kampf den weitaus besser ausgerüsteten kaiserlichen Soldaten; etwa 1.000 Tote blieben auf dem Schlachtfeld liegen. Die Kämpf in Kerschbaum mussten verheerend gewesen sein. Neben 51 Toten aus Lasberg und St.Oswald mussten bestimmt auch viele Bauern und Männer aus Rainbach und den umliegenden Orten ihr Leben lassen. (6)
Interessant ist auch die Ausrüstung, welche die Bauern und Handwerker zu dieser Zeit besaßen. Aus dem Verlassenschaftsprotokoll, das nach dem Tod des Schuhmachers Michael Schuster im Februar 1584, der ein „behaustes güetl zu Rainpach“ besaß, aufgenommen wurde, ist zu entnehmen, dass dieser „1 Büchse, 2 Spieße, 1 Seitenwehr und 1 Stahl“ besaß. Die Ausrüstung beweist, dass die Bauern und Handwerker nicht nur mit Dreschflegel und Gabel gekämpft hatten. Als Gerhaben – so nannte man damals den Vormund - für die 9 Kinder des verstorbenen Schuhmachers aus Rainbach wurden „Siegmund Vierchtinger“ - in Stadln gibt es jetzt noch diesen Hofnamen – und „Thomas Maurer“ bestimmt. (7)
Leider gibt es in der Literatur, im Gemeinde- und im Pfarrarchiv von Rainbach nur spärliche Berichte über den Bauernkrieg in unserer Gemeinde. Nachforschungen ergaben, dass Rainbachs Pfarrer zu dieser Zeit, Sebastian Sperl, von den aufständischen lutherischen Bauern aus Rainbach verjagt wurde und die Gründe, die zum Pfarrhof gehörten, verteilt wurden. (8)
Bekannt ist uns auch das Schicksal des ehemaligen Bauernführers von Rainbach, Hannsen Puechmayr. Er musste im Jahr nach dem Bauernkrieg sein Haus verlassen, da er in große Schulden geriet, obwohl er einen größeren Bauernhof im Ort besessen haben dürfte. Möglicherweise ist er als Protestant ausgewandet. (9)
Dem konzentrierten Angriff der kaiserlichen Truppen hatten die Bauern wenig entgegenzusetzen, sodass der große Aufstand nach der fürchterlichen Schlacht im Emlinger Holz bei Eferding am 9. November 1626 endete. Allein 12.000 tote Bauern blieben auf den Schlachtfeldern, dazu waren viele verkrüppelt und zur Arbeit unfähig geworden. (10)
Am 26. März 1627 wurden 8 Bauern auf dem Linzer Hauptplatz hingerichtet; am 23. April weitere 10, darunter der Richter Georg Reiter aus Lasberg und Jakob Ringel aus Reichenthal. Nie vorher und auch nie später stand dieses kleine Land ob der Enns so im Mittelpunkt des europäischen Interesses, wie im Jahr 1626. Ganz Europa blickte gespannt auf den mutigen Kampf der protestantischen Bauern. (11)

Quellenverzeichnis:
(1) Albin Czerny, Bilder aus der Zeit der Bauernunruhen in OÖ., Linz, 1876, Seite 1- 22
(2) (gekürzt)Geschichte der Stadt Freistadt – Wikipedia 2.5 Kriege
(3) wie (1)
(4) Dr. Franz Leitner, Historische Schriften über Lasberg, 2000, S. 161 ff und Lasberg im Wandel der Zeit 1985, S. 30
(5) Ferdinand Wirmsberger, Die Belagerung und Eroberung von Freistadt im Jahre 1626 in: Bericht über das Museum Francisco Carolinum, Linz, 1856, S. 14 ff
(6) Anton Sageder, Rainbach im Mühlkreis, 1983, S. 164 ff (gekürzt)
(7) Stöglehner Chronik, 2004, Seite 48 ff
(8) Pillwein, Geschichte, Geographie und Statistik des Erzherzogtums Österr. ob der Enns, S. 331
(9)OÖ. Landesarchiv, HA. Freistadt, Schachtel 386
(10) und (11) Franz Steinmaßl, Die Geschichte des Dorfes Helbetschlag, 1987, Seiten 47/48

Kerschbaum
1626
Verfasser

Hans Stöglehner (geb.1939), Stadln 5
4261 Rainbach i. M. (gest.2021)

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