Fensterln

Fensterln.

Wenn im Frühling die Natur erwachte, erwachten auch bei uns jungen Menschen die Geister der Liebe. Also ging man zu den Mädchen im Dorf und in die Nachbarsdörfer fensterln. Man ging zum Fenster der „Holden“, klopfte an und sagte: „Bitt´ gar schön um eine bettwarme Hand!“ Es kam öfters vor, dass man das Fenster verfehlte und der Vater der „Holden“ mit einem Fluch aus dem Bett sprang und schrie „Verfl...... Gesindel schleicht’s euch!“ Schließlich waren wir ja nicht die einzigen, die fensterln gingen. Wenn oft fünf und mehr Verehrer in einer Nacht kamen, wurden die guten Eltern der „Holden“ um den Schlaf gebracht. Für uns Sechzehnjährigen waren nur die älteren Fensterlburschen zu fürchten. Wenn man nicht schnell genug war, konnte man sich eine Tracht Prügel einhandeln.

Da ja nicht immer eine Leiter vorhanden war, zerlegten die älteren Burschen oft einen Leiterwagen, um mit der Leiter zum Fenster der „Holden“ zu kommen. Das nutzten wir, die so genannten „Rauhpinsche“ aus für unsere Rache. Wir schnitten mit den Taschenmessern die oberen Leitersprossen ein, und wenn der verhasste Verehrer beim Fenster war, brachen die oberen Sprossen ab und im Dominoeffekt brachen sämtliche Sprossen ab und der Pechvogel war schneller am Boden als er zum Fenster kam.

Wenn die „Holde“ gar nicht reagierte, öffnete man oft das Fenster mit dem Taschenmesser und drehte mit einer Holzstange die Tuchent ein und zog sie aus dem Bett. Das Mädchen sprang dann bestimmt aus dem Bett und ging natürlich nicht zum Fenster. Aber ab und zu wurden wir mit einem Druck mit einer „bettwarmen“ Hand durch das eiserne Fensterkreuz belohnt.

Kerschbaum
1954
Verfasser

Karl Leitner (1941-2020), Kerschbaum 1, 4261 Rainbach i. M.

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