Besondere Leute, die früher nach Kerschbaum kamen

Besondere Leute, die früher nach Kerschbaum kamen.

Früher ging ein Pechölträger in Kerschbaum hausieren. Wenn man den Mann auch noch nicht sah, so konnte man ihn schon riechen, so stank er. Er hatte statt dem Rucksack auf dem Rücken ein Holzfass, in dem Pechöl drinnen war. Wegen seiner antiseptischen Wirkung verwendet man es vor allem bei Tieren und Menschen bei Zerrungen und Verletzungen. Aus harzreiche Auswüchsen von Föhren und Wurzelgehölz rinnt beim Pechölbrennen auf einem schrägen Stein aus Granit, auf dessen flach geneigter Oberfläche Rillen eingemeiselt sind, ähnlich wie Blattrippen, das Pechöl aus dem Holz heraus und durch die Rillen nach unten, wo es dann aufgefangen wird.

Sogenannte Kraxenträger gingen auch hausieren. Diese hatten auf dem Rücken statt einen Rucksack eine Art Holzkiste. In ihr waren Kleinartikel des täglichen Gebrauches, sowie Nähnadeln, Zwirn, Knöpfe, Schuhbänder, Maultrommeln und anderes mehr.

Ein Stoffhändler aus Reichenthal besuchte alle 6 Monate die Haushalte in Kerschbaum, um den zukünftigen Bräuten Bettwäsche und Kleiderstoffe zu verkaufen. Er fuhr mit Pferd und Wagen. Das Pferd hatte beim Gehen die Augen zu, ebenso der Kutscher, der auf dem Wagen saß. Beide waren immer müde. Der Kutscher rauchte gemütlich sein Pfeiferl, während das Pferd mit geschlossenen Augen den Weg zur ersten Kundschaft fand. Dann nahm der Mann einen großen Ballen mit verschiedenen Stoffen vom Wagen und ging von Haus zu Haus. Das Pferd aber schlief stehend unter dem Traxler Kastanienbaum. Alle Dorfbewohner kannten den Mann als Keidan, eigentlich hieß er Kajetan Huemer.

Aus Leopoldschlag ging eine gewisse Frau J. mit hölzernen Spielzeug hausieren, die ihr Mann erzeugte, und damit ein kleines Einkommen hatte. Ihr schaute immer die Unterhose unter dem Kleid hervor. An sie kann ich mich erinnern, weil ihr einmal die Unterhose bis auf die Fersen hinuntergerutscht war. Da sie einen großen Ballen Spielzeug auf dem Rücken trug und das Bücken zum Hinaufziehen ihres "Liebestöters" (so sagte man damals vielfach zur Damenunterhose) sehr beschwerlich gewesen wäre, zog ihr meine hilfreiche Mutter die Hose wieder hinauf und band sie zu. So konnte sie dann weitermarschieren.

Eine gewisse Frau Bildstein brachte alte Kleidungsstücke auf das Land und tauschte sie gegen Nahrungsmittel ein. Sie übernachtete immer in unserem Haus. Wir Kinder bekamen von ihr oft Süßigkeiten, was uns sehr erfreute. Ich war noch ein Kind mit 5-6 Jahren und hatte mit dem Füße waschen nicht viel Freude. So kam es öfters vor, dass ich mich am Abend schlafend stellte, um, ohne waschen in das Bett zu kommen. Wenn aber Frau Bildstein hier war, wurden mir immer die Füße gebürstelt. Seit jenen Tagen denke ich jedes Mal, wenn ich unter der Dusche stehe und mir die Füße wasche, an diese Frau.

Diese Frau Bildstein sollte mir auch ein Gewand für meine Erstkommunion bringen. Am Vortag zu diesem kirchlichen Fest war bei unserer Familie und besonders bei mir eine gewisse Aufregung zu spüren, weil ich noch kein Erstkommuniongewand hatte, da Frau Bildstein aus Linz nicht wie geplant gekommen war. So hatte ich eine unruhige Nacht vor dem großen Fest. Doch in der Nacht zum Fest kam Schwester Rosi mit einem gebrauchten Anzug von Frau Bildstein nach Hause. Die Hose war eine „Knickerbocker“, mit der ich keine Freude hatte, die Schuhe waren zu groß, die Stutzen, die man zur Knickerbocker brauchte, waren zu kurz, so dass man ein Stück Haut sah. Aber Gott sei Dank hatten die anderen Kinder auch nichts Besseres zum Anziehen und so brauchte sich keiner zu schämen.

Kerschbaum
1940-1949
Verfasser

Karl Leitner (1941-2020), Kerschbaum 1, 4261 Rainbach i. M.

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