Werbeschild der Kämerei in Zulissen

Werbeschild der Kämerei in Zulissen.

Ein Werbeschild für Feigenkaffee war außen am Holzanbau des Hauses Zulissen 16 (Kolberger), in dem von 1928 bis 1958 eine kleine Krämerei war, die eine sehr wechselvolle Geschichte hat:

Josef Kolberger, vom Erzberg kränklich heimgekommen, wollte bei der Eisenbahn als Oberbauarbeiter anfangen. Diese Arbeit hielt er nicht lange aus, da ihm der Gesundheitszustand zu schaffen machte. Er hörte deshalb bei diesem Arbeitgeber wieder auf und verdiente nun als Gelegenheitsarbeiter - er war ja gelernter Maurer - eben mit der Mauerei und Dachziegelschlagen sein Brot.

Ein umherziehender Bettler, von denen es zu dieser Zeit viele gab, machte ihm den Vorschlag, eine Krämerei zu errichten. Diesem Vorschlag folgte die Tat. 1928 errichteten sie in einem kleinen Raum einen behelfsmäßigen Verkaufsladen, bis mein Vater einen Raum anbaute, der mit einer Holzhütte nebenan als Verkaufsraum diente.

Öfters kamen zwei Händler zu ihnen. Der eine war ein Jude namens Fränkl, der mit Rum, Likören und dgl. sein Geschäft machte, und ihm zur Seite stand und ein Arier namens Bürstinger. Beide waren aus Linz. Da das Geld infolge der Inflation Mangelware war, musste vieles schuldig geblieben werden. Bürstinger fing ganz klein an. Er handelte mit Kämmen, Köpperbandln und allerhand Kleinigkeiten.

Es war eine Sensation, wenn im Dorf ein Auto, so wie die beiden eines hatten, auftauchte. Alle Kinder liefen zusammen, ja selbst ältere Leute konnten sich nicht sattsehen. So wurde der Handelsverkehr immer größer. Fränkl erweiterte sein Angebot, Bürstinger stieg von den Kleinigkeiten auf Fertigwaren in Unterkleidern und Schnittwaren um. Dies war nun der Kaufmannschaft in Rainbach nicht recht, und sie fingen an, dem kleinen Gewerbetreibenden Schwierigkeiten zu machen. Die einzige Stütze war der damalige Obmann der Kaufmannschaft des Bezirkes Freistadt, Herr Melzer, der alles zugunsten des Kolbergers wandte.

Der Gesundheitszustand meines Vaters verschlimmerte sich zusehends, bis er am 9. 11. 1929 an Magenkrebs verstarb. Der Todesfall war für meine Mutter Katharina eine Katastrophe. Sie stand mit mir, dem siebenjährigen Buben da, ohne Geld, ja auch noch mit den Schulden aus dem ärztlichen Honorar für die Behandlung des kranken Mannes. Sparen war zu dieser Zeit eine der Haupttugenden. Es geschah öfter, wenn wir zum Gottesdienst nach Oberhaid gingen, dass ich die Mutter um ein Semmerl anbettelte, das damals nur 3 Groschen kostete. Ich musste Glück haben, wenn sie die 3 Groschen eingesteckt hatte. Wurst kostete damals 1 Schilling. So wurstelten wir uns beide durch bis zum Korneinbringen.

Einmal kam ein Bub aus dem Dorf, der kaufte sich eine Brause. Ich ging mit dem Geld zur Kassa, wollte Geld zurückgeben, aber die Kassa war leer. Ich ging zur Mutter zurück und erzählte ihr, was da los sei. Sie überzeugte sich selbst und fand das, was ich gesagt hatte, bestätigt. Das war der zweite Schlag. Ein unbekannter Mann war durch das aufgezwängte Fenster eingestiegen - Fensterkreuze hatten wir noch nicht - und hatte alles Geld mitgenommen. Die auf dem Weg vorbeifahrenden Leute sahen wohl einen Mann in blauem Gewand stehen, aber sie dachten sich nichts dabei.

Da meine Mutter die Arbeit nicht mehr bewältigen konnte, entschloss sie sich, einen Gehilfen zu nehmen und heiratete im September 1930 den im Nachbarhaus Duschlbauer als Knecht arbeitenden Josef Reisinger. Er war voll in der Schaffenskraft und verstand viel von der Landwirtschaft, da er ja jahrelang als Knecht gearbeitet hatte.

So ging das Jahr 1930 zu Ende. Im Frühjahr, das Datum weiß ich nicht mehr, nutzten Einbrecher die Gelegenheit, wieder in das Geschäft einzudringen. In einer stürmischen, regnerischen Nacht zwängten die Diebe mit einem Wiesbaum das Fensterkreuz samt dem Fensterstock heraus und nahmen die Waren im Wert von ungefähr 500,- Schilling mit. Es kamen wohl zur selben Zeit öfter Kunden aus dem nahen Tschechien hierher und kauften Saccharin, das dort nicht erhältlich war. Ob sie sich die Kenntnis der Örtlichkeiten zunutze machten? Mein Stiefvater und etliche Leute aus der näheren Umgebung machten sich auf Spurensuche und kamen bis zum Süßengraben, dann verlor sich die Spur. Ob auch Einheimische mit im Spiel waren, ist ungeklärt. Jedenfalls ging die Ware über die Grenze. Das war der dritte Schlag. Die gestohlene Ware war die Mutter noch schuldig.

So kam das Jahr 1938 und mit ihm der Aufschwung. Wer etwas erzeugte, brachte es an den Mann, die Landwirtschaft blühte auf, die Motorisierung nahm zu. Es nahte der Anschluss des Sudetenlandes.

Das Freikorps, das sich um Zulissen aufhielt, trank sich beim Krämer Schneid an, dadurch stieg der Umsatz. Nun schlugen wiederum die Geschäftsleute und Wirte wegen unbefugter Geschäftsausübung auf den kleinen Krämer ein.

Die Mutter suchte um die Bewilligung zur "Führung des Gewerbes vom Verschleiß und Verkauf von gebrannten geistigen Getränken" an, wobei sich wiederum die Kaufmannschaft und die Wirte dagegen wandten. Bei diesem Ansuchen hat sich wiederum Herr Melzer auf die Seite des kleinen Krämers gestellt, damit das Ansuchen gut für ihn ausging. Es war ein harter Kampf, um sich als kleiner Krämer über Wasser halten zu können.

Als ich im Jahre 1945 vom Krieg zurückkehrte, musste ich des Anstandes halber die Einkäufe machen, die Buchführung erstellen, die Lebensmittelmarken verrechnen und dergleichen mehr, ebenso musste auch meine Gattin im Geschäft mithelfen. Die Waren wurden von uns bestellt, vom Großhändler Haunschmidt nach Rainbach geliefert, dort umgeladen und mit Pferdefuhrwerken nach Zulissen gebracht, da die Straßen in einem erbärmlichen Zustand waren.

In der folgenden Zeit begegneten uns die Leute aus dem Dorf oft auf dem Weg zur Kirche mit vollgepackten Körben, mit Waren, die sie auch bei uns bekommen hätten. Die Bäckerei in Reichental, zu der meine Mutter Geschäftsverbindungen hatte, verkaufte ebenfalls Brot und Semmeln von Haus zu Haus, sodass wir das Gebäck aus unserem Geschäft selber essen mussten. Als meine Mutter nicht mehr fähig war, das Geschäft zu führen, beschloss ich, es 1958 aufzulösen. Um ein Geschäft zu haben, in dem nur das Vergessene gekauft wurde, dazu war ich mir zu gut.

Erstveröffentlichung im Buch "Von der Dorfmauer bis zur Fensterlucka", in dem man viele weitere interessante Erzählungen über das Leben damals in unserer Gemeinde findet.**
Hier findet man eine Auflistung der Beiträge dieses Buches. >

Fotos
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Dieses Werbeschild war außen am Holzanbau des Hauses Zulissen 16 (Kolberger), in dem von 1928 bis 1958 eine kleine Krämerei war. Bildleihgeber: Hubert Kolberger, Summerauer Str. 29, 4261 Rainbach i. M. Im Besitz von Johann Weinzinger, der sie in seiner Heimatkundlichen Sammlung in Zulissen ausstellt, die interessant und sehenswert ist.
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Holzanbau des Hauses Zulissen 16 für die kleine Krämerei - Bildleihgeber: Josef Kolberger, Kerschbaum 60, 4261 Rainbach i. M. (+)
Verfasser

Josef Kolberger, ehemals Kerschbaum 60, 4261 Rainbach i. M. (+)

Info

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