Zulissen, eine eigene Republik

Zulissen, eine eigene Republik.

Eigentlich war Zulissen schon immer ein bisschen anders. Wir hatten eine eigene Schule und in die Kirche gingen wir nach Oberhaid. Eigentlich waren wir in Rainbach ziemlich unbekannt. Man hatte früher auf dem Gemeindeamt wenig zu tun. Und kam jemand in die Kirche nach Rainbach, hieß es gleich: „Heute sind wieder die „Böhm“ in der Kirche gewesen“. Man erkannte uns gleich an der Kleidung. In Rainbach trugen die Frauen als Kopfbedeckung einen Schal und wir Zulisser ein Kopftuch. Den Winterschal haben wir auch anders gebunden als die Rainbacher. Beim Reden hat es immer geheißen: „Die schlägt ja der „Behm“ gehörig auf d Red.“ In der Pfarre gab es die Mädchenkongregation und den Bruschenverein. Bei der Kongregation durften die Mädchen nicht zum Tanzen fortgehen. Und so konnten die tanzfreudigen Zulisser Mädchen diesem Verein nicht beitreten. Und beim Burschenverein war es genau so. Die Zulisser Jugend hatte mehr mit den jungen Leuten von den böhmischen Grenzdörfern Kontakt. Mit diesen trafen sie sich an den Sonntagen nach dem Gottesdienst. Auch die Tanzunterhaltungen wurden dort gerne besucht. Während des 2. Weltkrieges mussten die Zulisser Kinder wieder nach Oberhaid in die Schule gehen, weil der Lehrer von unserer Schule einrücken musste. Nach dem Krieg war wieder die Grenze und wir mussten uns von unserem geliebten Oberhaid für immer verabschieden. In Rainbach waren wir aber gar nicht willkommen. Nicht einmal in der Kirche wollten sie uns einen Platz frei machen, obwohl wir immer den Platz im Kirchenstuhl brav bezahlten. Als mein Mann und ich im Oktober 1946 geheiratet haben, hat mein Mann den Obmann der Rainbacher Musikkapelle gefragt, ob die Kapelle bei unserer Hochzeit spielen würde. Der hat aber geantwortet: „ Nein, euch spielen wir nicht.“ Mein Mann meinte darauf: „Das macht nichts, dann wird schon jemand anderer spielen.“ Bei den vielen Flüchtlingen, die aus Oberhaid kamen, war auch der Kapellmeister der Oberhaider Musikkapelle Herr Tomschi dabei. Er konnte ohne Musik nicht leben. Mit viel Mühe und persönlichem Einsatz gründete er in Zulissen eine eigene Musikkapelle und die Zulisser waren sehr stolz darauf und sind es auch heute noch.

Zulissen
1935
Verfasser

Theresia Duschlbauer (geb.1923), ehemals Zulissen 18, 4261 Rainbach i. M.

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