Mühlviertler Arbeiterdichter Buchmeyer aus Vierzehn

Mühlviertler Arbeiterdichter Buchmeyer aus Vierzehn.

Folgender Text ist ein Auszug aus einem Artikel in der Zeitung „Mühlviertler Bote“, Dienstag, 19. Nov. 1946:
Ich habe es nicht bereut, den Mühlviertler Arbeiterdichter Buchmeyer in „Vierzehn“ bei Freistadt aufgesucht zu haben. In einer kleinen Stube saßen wir uns gegenüber. Das Feuer im Eisenherd knisterte, alte Zeitungsblätter raschelten, und ein seltsamer Mann erzählte mir die Geschichte seines Lebens. Ich war ausgezogen, einen Sonderling zu suchen, und fand einen glücklichen Menschen. Der alte Buchmeyer wählte sich einen Beruf, den er nicht mit vielen Dichtern teilt. Er ist seit einer Reihe von Jahren Hausierer. Große Pappschachteln an den Zimmerwänden erzählen von seinem mühsamen Wandergewerbe. Auf einsamen Wegen aber, in stiller Einsamkeit fliegen ihm seine Gedichte zu. Kleine schimmernde Perlen unserer klingenden Mundart. Gedanken und Empfindungen eines unverbildeten Arbeiters. Im Fachblatt „Baugewerkschaft“ und in der böhmischen Zeitung „Bund“ stoße ich auf Arbeiten des Mühlviertler Dichters. Im “Heimatblatt“ entdecke ich ein launiges Gedicht, das nach der Entstehung des Ortsnamens „Vierzehn“ forscht.
Wia Vierzehn wor’n is

Glei oberd’halbn Freistadt
Liegt a Derfö schen da.
Zwe dös Derfö hoaßt Vierzehn,
drüba roat’ i oft na(ch).
Nu und weil i net drauf kimm
Mit’n muntern Verstand,
denk i, suachst as ön Tram,
trama kannst allahand.

Und nu hat ma halt tramt scho
va an wundaschen Wald.
Solchö Bam san da g’stand’n,
schier gegn taus’nd Jahr alt.
Und da Graf, den der Wald g’hört,
is da grad auf der Pirsch’
und siacht untan Baman
an schen Vierzehna-Hirsch.

Und glei zielt a au’m Hirschn
und schon schoißt a aft drauf,
aba g’faihlt g’schoss’n hat a
und da Hirsch lacht hellauf!
Wißt’s, in Tram is dös mögli,
daß a Hirsch amal lacht –
`s hat dös Glachta den Graf’n
eh ganz entarisch gmacht.

Glei den andern Tag kimmt a
wieda schußferti an
und akrat untan Baman
steht da Vierzehna schon.
`s hat da Graf wieda g’schoss’n,
und akrat wieda g’faihlt,
und da Hirsch hat da glacht drauf,
daß’s hat umadum g’heult.

Guat acht Tag ham sie’s triebn so,
za nix andern net bracht,
als da Graf hat halt g’schoss’n
und da Hirsch hat recht glacht,
bis’s ön Graf’n is z’dumm wor’n,
und voll Zorn laßt aft hörn,
daß der Wald da muaß wegga,
muaß ganz ausg’rodert wer’n.

Fremde Leut hat a herbracht,
dö hom drüba g’richt glei,
ham ön Wald nieda glegt,
ham sö g’schund’n dabei.
Solche Bam, solche Trümma,
schier gegn taus’nd Jahr alt,
`s kost a Müah und a Plag das,
so a Wald, bis a fallt.

Aba gschegn is’s und wegbracht
ham s’ dö Bam nachanand,
s ganzi Holz und as Reisa
is vabrennt wor’n allsand.
Dös hat graukt und hat prasselt,
weil is’s g’sehgn wor’n und ghört.
Und da Hirsch z’kiafft ön Wald drin
hat ganz schauderli gröhrt.

Auf sechs Bauern mit Famili
is da Grund vatoilt wor’n,
`s hat an iada an Stroaf kriagt
halt für Hawarn und Korn.
Do bis s’ anbau’n ham kinna,
hat’s a Zeit nu dau’rt!
Z’allaerst ham dö Sechsö
eahni Unterständ baut;

aft ham s’ grabn da und grodat –
soviel Stöck hat’s ja geb’n!
Dös hat Arbat und Schwitz kost, s war a müahseligs Leb’n.
Do umsunst is’s net gwest dös,
allweil g’scheiter is’s wor’n,
`s hat sö do aft schon anbaut
an iada sein Korn

und hat’s eingführt in d’Schwabmühl –
und a Brot hat a ghat!
Allweil kleana und kleana
is so wor’n eahna Not.
Und ön Graf’n hat g’freut dös,
wia a g’sehgn hat, ös geht
allweil bessa und bessa,
wia schen d’Sacha schon steht

und hat g’sagt za dö Bau’rn a,
weil oan Stroaf is net viel,
`s kann an iada oan habn nu,
wann a nu an Stroaf will!
Hat eahn nacha vazählt a,
wia’n da Hirsch hat valacht - :
„Und drum hab i den Hirsch’n
um sein Woldhoamat bracht!

Denn da Vierzehna-Hirsch
is da ninderst mehr z’sehgn,
der is fort, is in d’Fremd groast,
aussa, `s war eahm was g’schehgn.
Daß i drum kemma bi,
iabö kränkt ’s mi ja moast,
und drum will i, daß’s da hiazt
ba dö ,Vierzehna’ hoaßt!“

Not lehrt dichten

„Ich wurde“, erzählt der Poet, „im Jahre 1883 in Winden bei Schwertberg geboren. Eines Augenleidens wegen musste ich die Arbeit im Steinbruch aufgeben und durchwanderte dann als junger Mensch Deutschland und Tirol. Als Arbeitsloser las ich in Schwertberg die ganze Volksbibliothek aus. Es kam so weit, dass mir der Bibliothekar zuletzt seine Privatbücher zur Verfügung stellen musste. Damals schrieb ich mein erstes Gedicht.“
Das Leben packte Buchmeyer immer wieder hart an. Auch Steyr, das er seine zweite Heimat nennt, musste er wegen Arbeitsmangels verlassen. In den Notzeiten aber flüchtete er immer wieder ins Reich der Poesie. In seinen schwersten Tagen sind seine schönsten Gedichte entstanden. Der Linzer Schriftsteller Meyer-Freinberg verwahrt ungefähr zweihundert Schöpfungen Buchmeyers, der dem Stelzhamerbund angehört.
„Meinen größten Erfolg“, erfahre ich, „brachte mir das von dem Münchner Komponisten Thienemann vertonte Gedicht „Waldamsel“. Fürs „Steyrer Tagblatt“ schrieb ich unter dem Pseudonym „Windegger“ viele Kurzgeschichten. Einen Verleger habe ich als armer Teufel natürlich nie gefunden. Darum geht es mir auch nicht.“
Die Verse des dichtenden Hausierers sind zumeist von jenem Humor durchsonnt, den nur der Besitzlose kennt. Zuweilen grollt aus den Zeilen der Sehnsuchtsschrei des geknebelten Proletariats. Sein witziges „Veteranaliad“ ist eine köstige Persiflage der senil gewordenen ewigen Soldaten. Immer wieder ist es aber die Liebe zur engeren Heimat, die den Schöpfungen des ehemaligen Schwertberger Steinhauers ihren stillen Reiz verleiht.
Dö junge Feldoast

A Stückl hinta Sankt Michäh,
dort hintan Wald und untan Fe(ld),
dort is d’ Geburtsstatt va da Oast,
dö was ma kam wo dort so hoaßt.
Sie is jo do a Rinserl grad,
dö va da Wies’n ‘s Wasserl hat,
do frisch und munta rinnts tala(b),
denn `s Rinserl will ja wer’n a Ba(ch).

A Bacherl is `s in Hoanrichsschlag,
das leicht oans übersteign nu mag,
do sprodln tuat’s und Sprüngerl macht’s,
und allweil gschwinda wird’s und tracht’s,
schen lusti abi springt’s ön Grabn,
wia Füherl, frei net zan dahabn,
und kimmt a Rinserl zuwi grad,
wia gschwindi was s’ dös g’fanga hat.

Ön Passberg aft is s schon a Ba(ch), ma red’ a va da Feldoast da, a Mühl muß s’ treibn, a Sag dazua, dös is für’n Ba(ch) grad häufti gmua. Ja, was dö Feldoast treibt und draht, dös macht ön Ba(ch) schier müad und stad, drum fangt s’ schen langsams rinna an –
I geh’ da Feldoast gar davon.

Sie is koan kindlichs Bacherl mehr,
sie kimmt als schena Ba(ch) daher;
drum hoaßt’s hiatz’a, da spann di ein!
Tuast groß gnua zan a Arbat sein!
Und willst hiatzt gar net va da Stöll,
kimmst eh bald in a schenes G’fäll
und Mühln gibt’s abi na(ch) da Reih
und übarall is d’Sag dabei!

Ein glücklicher Mensch

In drei großen Mappen schlummern alte Manuskripte und die Belegexemplare längst verschollener Zeitungen. In der „Leuchtrakete“ schrieb Buchmeyer und in der Beilage „Neues Werden“.
Einsam haust Buchmeyer in der Dachkammer des stadtfernen Gehöftes. Seine Augen werden immer schwächer, die Wanderschaft wird stets beschwerlicherer, aber der Dichter ist mit seinem Schicksal zufrieden. Vier Zeilen eines seiner Gedichte verraten die Lebensphilosophie diesen einfachen Menschen.

Viele Leut wölln’s net bekenna
Daß sö’s guat ham auf der Welt
Mi, mi kinnts an Glückspilz nenna
Han i gleich koan Heller Geld.

Buchmeyer hofft in ansehnbarer Zeit in Freistadt eine Wohngelegenheit zu bekommen. Da ihm sein schwindendes Augenlicht das Lesen schier unmöglich macht, wünscht er sich ein Rundfunkgerät. Mehr will der Sänger der sozialen Sehnsucht vom Leben nicht. Mir ist fast so, als hätte ich in „Vierzehn“ einen der wenigen glücklichen und mit ihrem Los zufriedenen Mühlviertler entdeckt. Man muss freilich ein Dichter sein, um so bescheiden zu werden.
Gedichte: Aus dem Band „Freistadt und rund-umadum“ von Karl Buchmayr

Zusatzinformation von Stefan Eder:
Karl Buchmayr wohnte während des II. Weltkrieges in Vierzehn 4, Bauernhaus „Wein-berger“, heute Familie Atteneder. Er meldete sich am 5. Mai 1947 von Rainbach ab und zog nach Freistadt, Hauptplatz 116, „Wiesinger“ jetzt Hauptplatz 4, Haus unterhalb der Buchhandlung Wolfsgruber.

Im Jahr 1948 brachte Karl Buchmayr im Selbstverlag ein kleines 12seitiges Heftchen im Format 12,8 x 20,8 cm heraus. Gedruckt wurde es in der Druckerei Hermann Plöchl in Freistadt. Die Gedichte wurden in gotischer Schrift gesetzt. Bemerkenswert ist, dass auf der ersten Seite extra für diese Ausgabe zwei Klischees angefertigt wurden. Oben eine Ansicht auf Freistadt von der Oswalder Seite gesehen – umrahmt von Laubbäumen. Unten das Freistädter Wappen, dreiseitig geschwungen, mittendurch das Wort „Freistadt“ groß gesetzt in gotischer Schrift. Unterhalb wird das Wappen von einer Schleife halb eingeschwungen. In der Schleife steht „RUND-UMADUM“ in Blockbuchstaben.
Ein großer Fundus an Originalschriften von Karl Buchmayr liegt im Heimatmuseum von Freistadt auf.

Interview mit Walter Brandstätter, geb. 1935, Vierzehn 13; damals Wohnsitz Vierzehn 9 am 30. Oktober 2005:
„Der Buchmayr war ein herzensguter Mensch, der konnte keiner Fliege was zuleide tun“, berichtet Walter Brandstätter, der ihn noch persönlich kannte. „Als wir noch klein waren, durften wir mit’n Buchmayr in die umliegenden Dörfer hausieren mitgehen, nicht zuletzt deswegen, weil wir Kinder von ihm öfters ein kleines Stück Schokolade oder ein Zuckerl bekamen. In den Kriegsjahren waren solche Sachen für uns eine Kostbarkeit. Ich kann mich auch noch gut daran erinnern – er war ein Nazigegner. Während des Krieges kam er oft zu meinem Vater, um illegale Sender zu hören. Unter einem Tuch hörten sie Radio. Viel haben sie aber nicht gehört, da meistens nur ein „Zischen“ aus dem Radio kam.“

Interview mit Anna Guttenbrunner, geb. Klopf, geb. 1924, Vierzehn 1am 30. Oktober 2005:
„Als der Buchmayr schon in der Stadt war, gingen wir auch noch oft zu ihm einkaufen. Er hatte ja viele Sachen: Knöpfe, Schale, Stutzen und was man halt sonst so brauchte.“

Vierzehn
1940-1949
Verfasser

Stefan Eder (geb.1955), Vierzehn 27, 4240 Freistadt

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