Kühe hüten und Traktor fahren

Kühe hüten und Traktor fahren.

Im Sommer verbrachte ich fast die ganze Zeit beim Hofer. Meine Mutter und meine Brüder sahen mich nur am Abend, wenn ich zum Schlafen heimkam. Im Frühling und Sommer und Herbst war beim Hofer immer viel los. Obwohl ich mithalf, wo man mich brauchte oder auch nicht brauchte, verbrachte ich die meiste Zeit beim Kühe hüten. Ich passte gerne auf die Kühe auf. Die Arbeit war leicht, meine Freunde von der Baracke besuchten mich dabei, und wir spielten dann Fußball auf der Wiese und machten Lagerfeuer und spielten Cowboys und Indianer. Wenn wir Fußball spielten, verwendeten wir Jacken als Tore. Ich muss noch heute lachen, wenn ich daran denke wie eine Kuh versuchte die Jacke von einem meiner Freunde zu fressen, sich aber nur mit einem Ärmel begnügen musste. Beim Kühe hüten lernte ich, was für kluge Tiere die Kühe eigentlich wären. Die Hofers hatten verschiedene Wiesen in der Umgebung von Summerau. Manche waren Kilometer vom Bauernhof entfernt, aber das machte nichts, denn die Kühe konnten die Wiesen auch ohne GPS oder Hilfe von mir finden. Man musste die Leitkuh nur auf die Straße oder den Weg bringen, der zu einer bestimmten Wiese führte und die Leitkuh wusste dann auf welche Weide sie die anderen Kühe bringen musste. Die Kühe wussten auch immer, wann und wenn es Zeit war nach Hause zu gehen. Ich lernte das eines Tages auf demütigende Weise. Ich war beim Hüten eingeschlafen. Als ich aufwachte, waren die Kühe weg. Sie waren ohne mich heimgegangen. Die Kühe müssen gewusst haben, dass es Zeit zum Melken war und dass Mitzi, Resi und Frau Hofer auf sie im Stall warteten. Ich weiß nicht, wie ich dem Herrn Hofer das Verschwinden seiner Kühe erklärt hätte, aber irgendeine Ausrede wäre mir schon eingefallen.

Obwohl das Kühe hüten beim Hofer meine Hauptbeschäftigung war, durfte ich auch manchmal dem Hans bei seiner Arbeit "helfen“. Da Hans den einzigen Traktor in ganz Summerau hatte, musste er nicht nur die Arbeit für seine Familie machen; er half auch oft anderen Bauern in der Umgebung. Mit dem Hans, zusammen auf dem Traktor zu sitzen und auf die Wiesen zum Mähen oder Heuen zu fahren oder auf das Feld zum Ackern, oder in den Wald zur Holzarbeit oder zu einem Nachbarbauern zum Dreschen, das machte immer Spaß und ich weiß, dass alle meine Freunde vom Bahnhof gern an meiner Stelle gewesen wären. Obwohl ich noch nicht zehn Jahre alt war, ließ mich der Hans ab und zu den Traktor selbst fahren. Natürlich saß er dann neben mir und passte auf, damit ich keinen Fehler machte, aber gefährlich war das Traktor fahren damals auch nicht. Wo wir fuhren, gab es keine anderen Verkehrsmittel und wenn uns dann eine Kuh über den Weg rannte, dann wich sie uns schon aus, lange bevor wir zu nahe kamen. Ich aß und trank, was der Hans aß und trank, auch Most, aber der machte mich immer sehr schläfrig. Manchmal kriegte ich auch ein Bonusgeschenk, wie zum Beispiel, einmal beim Grasmähen. Hans schenkte mir einen Hasen, den wir mit der Mähmaschine angefahren hatten. Ich trug den Hasen nach Hause und meine Mutter und meine Brüder und ich konnten darauf einige Tage Hasensuppe und Hasenschnitzel essen.

Summerau
1949
Verfasser

Mario Gerhardt, Ph.D , 5380 Parkside Trail, Solon, Ohio USA 44139

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