Kaufgeschäft der Anna Blöchl in Sonnberg

Kaufgeschäft der Anna Blöchl in Sonnberg.

Wann genau die Gemischtwarenhandlung in Sonnberg ihren Anfang nahm, daran kann sie sich nicht mehr genau erinnern, die langjährige Besitzerin Frau Anna Blöchl.
Gegründet hatten das Geschäft ihre Eltern Franz und Anna Birklbauer. Entstanden war es aus einer Notlage: In den wirtschaftlich sehr schwierigen dreißiger Jahren war auch Franz Birklbauer von der Arbeitslosigkeit betroffen. Eine Bekannte, die damals schon in Zulissen ein kleines Geschäft führte, hatte der Familie Birklbauer dazu geraten, auch einen Lebensmittelverkauf anzufangen. Das gehe ganz leicht, hätte die gemeint, die Frau Reisinger aus Zulissen, man bräuchte da nur die Erlaubnis von der zuständigen Kammer.

Genauso war's dann auch, und Frau Birklbauer begann bald darauf, sich ein paar Sachen für den Weiterverkauf heimzurichten. Gelagert wurden die paar Waren, die Frau Birklbauer verkaufte, in der Kammer neben der Stube. Einen eigenen Geschäftsraum gab es damals nicht. Verkauft wurde in der Stube. Ganz klein hatten sie begonnen, mit nur wenigen Artikeln: Zucker, Salz, Mehl, Kaffee, Brot, Zündhölzern, Rosinen, Gewürzen und Marmelade. Abfall aus Verpackungen fiel damals kaum an. Waren wie Salz, Mehl, Zucker u. a. wurden in Säcken eingekauft und dann im Geschäft je nach Wunsch der Käufer eingewogen. Sogar Marmelade gab's offen zu kaufen. Doch bevor die Lebensmittel verkauft werden konnten, mußten sie erst einmal besorgt werden. Die Straßen waren schlecht, und Autos gab's damals in Sonnberg sowieso noch keine. Der Vater kaufte die Waren in Freistadt ein und schleppte sie zum Teil selbst mit Rucksack und Fahrrad nach Sonnberg hinauf. Größere Mengen sowie tägliche Lieferungen wie Brot nahm der Rahmfuhrmann bei seinen Lieferfahrten zur Molkerei auf seinem Pferdefuhrwerk mit.

Schön langsam vergrößerte sich das Warenangebot in der Gemischtwarenhandlung der Anna Birklbauer. Nicht nur für die Sonnberger war die kleine Greißlerei eine Annehmlichkeit, auch die Leute aus den Nachbardörfern St. Peter, Labach und Dreißgen kamen zum Einkaufen. Schließlich bot das G'schäftl so ziemlich alles, was für den täglichen Gebrauch vonnöten war. Darüber hinaus gab's aber auch Gegenstände wie Seile, Peitschen und Holzschuhe. Mit den kleinen Zuverdiensten des äußerst fleißigen und handwerklich vielseitig begabten Vaters fand die Familie ihr Auskommen. Noch in den dreißiger Jahren bauten sich die Eltern mit großer Mühe und viel eigenem Handanlegen ein Haus, in dem sie dann auch einen richtigen Geschäftsraum einrichteten. Als die ersten Autos in der Gegend aufkamen und die Freistädter Händler begannen, die Waren für ihre Großabnehmer zuzustellen, war auch der Wareneinkauf um vieles leichter. Doch wenn bestimmte Artikel ausgegangen waren, noch bevor die nächste Lieferung kam, setzte sich der Vater wieder auf's Rad und holte die benötigten Sachen selber aus Freistadt.

Das Geschäft lief unter dem Namen der Mutter, Anna Birklbauer, doch mitgearbeitet hatten neben dem Vater auch die Tochter Anna Birklbauer, spätere Blöchl, die die Gemischtwarenhandlung ja auch weiterführen wollte. Noch zu Lebzeiten des Vaters, der 1964 verstarb, übernahm Anna Blöchl dann die Betriebsführung. Sie hatte zwar keine Lehrzeit vorzuweisen, doch ihre langjährige Mitarbeit und Erfahrung im Lebensmittelhandel reichten schließlich für eine offizielle Betriebsübernahme aus.

Außer der Namensänderung am Geschäftsschild, wo es nun hieß "Gemischtwarenhandel Anna Blöchl", änderte sich vorerst am Geschäftsleben kaum etwas. Als dann die Handelsreisenden regelmäßig vorbeikamen und ihre Erzeugnisse anpriesen, wurde das Warenangebot größer und vielfältiger. Von den Grundnahrungsmitteln über Knabbereien, Süßigkeiten, Obst, Milchprodukte, Würste, über Toilettenartikel und Waschpulver, über Kurzwaren, Bekleidungsstücke und Wolle bis zu Haushaltsartikeln und sogar manchen Spiel- und Schulsachen gab es alles zu kaufen, wonach das tägliche Leben verlangte.

Auf engstem Raum fanden sich Stopfwolle neben Äpfeln, Klopapier auf Konserven, Strumpfhosen unter Würsten und Malbücher zwischen Blumenzwiebeln. Die Regale waren voll vom Boden bis zur Decke, die freie Fläche am Ladentisch wurde immer kleiner, und der Weg von der Tür hinter den Verkaufstisch immer enger. Selbst nach einer Vergrößerung des Geschäftsraumes änderte sich am Aussehen des Lokals kaum etwas. Der Platz war immer zu wenig. Doch Frau Blöchl wusste stets, wo sie nach den vielen Dingen suchen musste, und nach mehr oder weniger langem Kramen, Stöbern, Wühlen und Umschichten kam tatsächlich das Gewünschte - und oft noch viel mehr - zum Vorschein. So konnte der Wunsch nach einem nicht täglich verlangten Artikel dem Käufer einen durchaus interessanten Einblick geben in das vielleicht nicht vermutete Warenangebot des Geschäftes.

Zur Gemischtwarenhandlung kam später auch noch eine Tabaktrafik. So vertrieb die Kauffrau auch Briefmarken, Stempelmarken und Zigaretten. Ja, "allen Tod und Teufel" habe sie gehabt, meint Frau Blöchl rückblickend. Vorerst unbeabsichtigt entwickelte sich neben dem Geschäft auch ein Wirtshaus. Es begann damit, dass manche Kunden die im Geschäft gekauften Getränke gleich im Haus konsumierten. Dieses Verlangen hatten immer mehr Leute, und so wurde aus der Gemischtwarenhändlerin - nach anfänglichen Schwierigkeiten - auch eine Wirtin. Offiziell durfte sie die Bezeichnung "Jausenstation" führen.

Bei Frau Blöchl konnten die Kunden auch anschreiben lassen. Dazu wurde ein kleines Heftchen angelegt, in dem jeder Artikel, den der Kunde mitnahm, zusammen mit dem Preis notiert wurde. Die Bauern beglichen ihre Schulden meist, wenn sie ihre Auszahlung von der Molkerei erhielten. Die Geschäftsfrau hatte soviel Vertrauen zu ihren Kunden, dass sie ihnen die Kreditbücherl nach jedem Einkauf mit nach Hause gab. Diese Methode war bei gegenseitiger Zufriedenheit bis zur Geschäftsauflösung gang und gäbe.

Der Verkaufsraum war normalerweise abgesperrt. Wollte jemand etwas kaufen, musste er an der Geschäftstür läuten und warten, bis die Geschäftsfrau kam, den Schlüssel aus ihrer Schürzentasche holte und damit die Tür aufsperrte. Wenn der Kunde das Geschäft verlassen hatte, wurde es wieder zugesperrt, und der nächste Kunde musste sich wieder durch Klingeln bemerkbar machen.

Geregelte Öffnungszeiten kannte man im Blöchl-G'schäft nicht. Ob morgens, mittags oder gar nachts um zehn, oft sogar noch später, - die Leute kamen, wann sie eben etwas brauchten. Auch sonntags ließ Frau Blöchl niemanden vergeblich an der Geschäftstür warten. An Sonn- und Feiertagen kamen des öfteren sogar Kunden aus Freistadt, wenn sie dringend eine Kleinigkeit brauchten.

Manchmal war es schon lästig für die Anna Blöchl, wenn sie nicht einmal zu Mittag eine Ruhepause hatte. Nicht selten kam es vor, dass die Geschäftsglocke sie vom Mittagessen wegholte. Doch trotz aller Unannehmlichkeiten, die das Leben als Kauffrau mit sich brachte, war ihr das Leben ganz recht so, wie es war. Denn wenn eine Zeitlang niemand einkaufen gekommen wäre, so wäre ihr ja auch nicht gut gewesen, erinnert sich Frau Blöchl. Mit viel Freude bediente Anna Blöchl Jahr und Tag ihre Kunden. Urlaub hatte sie nie gehabt. Erst wenn ihr Bekannte von schönen Ausflügen erzählten, wurde ihr bewusst, dass sie selbst ja nie von zu Hause wegkam. Aber sie sah sich nicht leid, denn das Zuhausebleiben bedeutete für die Kauffrau mit Leib und Seele keinen Verzicht. Im Gegenteil, die Arbeit im Geschäft hätte ihr gefehlt. Und wenn sie wirklich einmal einen Tag weg musste, - zu einem Begräbnis etwa - fühlte sie sich den ganzen Tag nicht wohl, weil sie ihren Laden nicht richtig versorgt wusste. So war Frau Blöchl stets auf den Beinen. Sie pendelte tagein, tagaus zwischen Gaststube, wo sie ihre Gäste bewirtete, und Geschäftsraum, in dem sie ihre Kunden bediente, hin und her.

Als sich Anfang der siebziger Jahre immer mehr Sonnberger ein eigenes Auto kauften und gleichzeitig in Freistadt einige Lebensmittelgroßmärkte entstanden, ging der Umsatz in der Greißlerei Blöchl merklich zurück. Zur gleichen Zeit stiegen jedoch die Einnahmen aus dem Verkauf von Getränken und Imbissen in der Gaststube, welche die finanziellen Einbußen in der Gemischtwarenhandlung wieder ausglichen.

Überhaupt waren in den letzten Jahren des Bestehens die Einnahmen aus der Jausenstation größer als die aus dem Lebensmittelhandel. Die beiden Geschäftszweige ergänzten einander, einer wäre ohne den anderen nicht lebensfähig gewesen.

1983 ging Frau Anna Blöchl schließlich in Pension. Das bedeutete nicht nur das Ende der Greißlerei und der Gaststätte in Sonnberg, mit dieser Geschäftsauflösung war nun auch das letzte Dorfgeschäft in der Gemeinde Rainbach verschwunden.

Quelle: Interview mit Anna Blöchl

Aus dem Buch "Von der Dorfmauer bis zur Fensterlucka", in dem man viele weitere interessante Erzählungen über das Leben damals in unserer Gemeinde findet.
Hier findet man eine Auflistung der Beiträge dieses Buches. >

Sonnberg
1960-1969
Fotos
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In diesem Haus (rechts) war das Geschäft, das unter dem Namen der Mutter, Anna Birklbauer, lief. Doch mitgearbeitet hatten neben dem Vater auch die Tochter Anna Birklbauer, verheiratete mit dem Namen Blöchl. - Bildleihgeber: Michl, Sonnberg 22, 4261 Rainbach i. M.
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Blöchl-Gemischwarenhandel, Trafik und Jausenstation in den 1970er Jahren - Bildleihgeber: Alois (Otmar) Zeindlinger, Summerau Mitte 30, 4261 Rainbach i. M.
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Kauffrau Anna Blöchl beim Geschäftseingang - Bildleihgeber: Josef Larndorfer, Walchshof 82, 4240 Freistadt
Verfasser

Sinngemäß niedergeschrieben von Rosemarie Reindl, Sonnberg, 4261 Rainbach i. M. nach einem Gespräch mit Anna Blöchl

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