Gasthauskultur mit Stammgläsern in Summerauer Wirtshäusern

Gasthauskultur mit Stammgläsern in Summerauer Wirtshäusern.

So wie in anderen Orten, gab es auch in Summerau die eine lange Zeit zurückreichende Kultur des Biertrinkens aus Stammgläsern. Dabei handelte es sich durchwegs um „Halbe-Gläser“ mit 0,5 Liter Inhalt, die nur Stammgästen vorbehalten waren. Bis in die 1960er Jahre waren dies häufig Bierkrügel aus Glas mit Henkel und einem an diesem Henkel befestigtem Zinndeckel. Die Deckel waren meist kunstvoll verziert und die Gläser waren mit Gravuren und Bildmotiven versehen. Der Bierkrug-Deckel ist wahrscheinlich nach der Pestseuche in Mitteleuropa eingeführt worden. Damals waren per gesetzlichem Erlass, wegen der Übertragungsgefahr durch Insekten, sämtliche Getränke- und Essensbehälter abzudecken.

Beim „Schigl-Wirt“ (Freudenthaler – später Pröll) gab es laut Erzählungen mitten in der Gaststube einen Stammtisch, der nur Gästen mit eben solchen Bierkrügeln vorbehalten war. Mittig am Tisch stand da eine vom „Schmied Hubert“, dem Sohn des Dorfschmieds, angefertigte, verschweißte, eiserne Gemeinschaftskasse (Bild 2). In diese musste jeder der Stammgäste einen Obolus einwerfen, wenn er vergaß, nach dem Trinken sofort wieder den Deckel an seinem Krügel zu schließen. Ebenfalls vom „Schmied Hubert“ wurde diese Kasse dann von Zeit zu Zeit zum Entleeren geöffnet und danach wieder verschweißt. Über die Verwendung des Inhaltes gibt es keine verbindlichen Aussagen. Noch heute findet diese Gemeinschaftskasse weiter Verwendung im Clubhaus der Stockschützengemeinschaft Summerau, in der „Alten Bahn“.

Beim „Kapl-Wirt“ soll es diese teuren Stammkrügel mit besonders schön verzierten und bemalten Deckeln und am Glas eingravierten Namen der Besitzer gegeben haben. Wer die Krügel mit Deckel angekauft hat, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen: Es gab Gläser, die von den Gästen und später welche, die vom Wirt gekauft waren. Alle gehörten auf jeden Fall persönlich jedem einzelnen Stammgast und wurden beim Wirt verwahrt.

Ab den 1960er Jahren wurden dann die Stamm-Bierkrügel mit Deckel mehr und mehr durch einfache zylindrische Biergläser ohne Henkel und ohne Deckel ersetzt. Diese waren am Glas mit aufgemalten Bildmotiven und Sprüchen versehen und die Wirte kauften sie meist bei der Firma Spielberger in Freistadt. Die aufgedruckten Bilder und Sprüche waren Großteils lustig, irgendwelche Charaktere und „Hobbies“ der Besitzer andeutend. Die Wirte verschenkten dann diese Stammgläser an Stammgäste und versuchten damit die betreffende Person auf humorvolle Weise zu charakterisieren. Ich selbst erhielt mein erstes Stamm-Bierglas vom „Schigl-Wirt“ zu einem meiner Geburtstage. Einer der Stammgäste kann sich noch daran erinnern, dass gerade an dem Tag, an dem er sein verziertes, neues Glas erhielt, es am Tisch zu einer rüden Rauferei kam und dabei dieses Glas gleich wieder kaputt ging. Als Trost durfte er sich aus dem „eisernen Reservebestand“ des Wirts umgehend ein neues Glas aussuchen – als passionierter Jäger wählte er da natürlich eines mit einem Tiermotiv.

Stammgläser blieben ausnahmslos beim Wirt und wurden meist in einem Gläserfach, oben in der Schank verwahrt. Da jedes dieser Gläser nur von seinem „Besitzer“ benutzt werden durfte, war es für die Wirte stets herausfordernd, nur ja jedem Stammgast sein Stammglas zu servieren – und dies unaufgefordert – und ohne Irrtum.

Die "Gasthauskultur – Stammgläser" gab es in Summerau beim Kapl bis 1979 und beim „Schigl“ bis 1987. Da schlossen nämlich diese beiden Wirtshäuser im Dorf endgültig ihre Pforten. So mancher „Wirtshausgeher“ denkt noch heute wehmütig an die vielen lustigen Stunden am Stammtisch mit seinem Stammglas, zurück. Und so mancher hat sich auch „sein Stammglas“ vom Wirt „erbettelt“ und mit nach Hause genommen.

Summerau
1960-1969
Fotos
bierglaeser1.jpeg
Bierkrügel mit Henkel - Bildleihgeber Otto Elmecker, Summerau Siedlung 29, 4261 Rainbach i. M.
bierglaeser2.jpeg
Gemeinschaftskasse vom Stammtisch beim „Schigl-Wirt“ - Fotoleihgeber: Johann Lonsing, Summerau Mitte 23, 4261 Rainbach i. M.
bierglaeser3.jpeg
Stammgläser im Besitz der Familie Kapl Summerau Unterort 1, 4261 Rainbach - Fotoleihgeber: Johann Lonsing, Summerau Mitte 23, 4261 Rainbach
Verfasser

Niederschrift von Johann Lonsing (Summerau Mitte 23, 4261 Rainbach) im Jahr 2022 nach Gesprächen mit Franz Apfolter, Otto Elmecker, Johann Kapl und meinen Erinnerungen.

Info

Falls Sie zu diesem Thema Ergänzendes erzählen wollen oder Fotos zur Verfügung stellen können, dann teilen Sie uns dies bitte schriftlich oder per E-Mail mit. Wir sind gerne bereit Ihren Beitrag oder das/die Foto/s hier zu publizieren.

Jedwede Veröffentlichung dieses Artikels, auch auszugsweise, darf nur mit Erlaubnis des Autors (der Autorin) geschehen.
Bei Verwendung der Fotos ist zu bedenken, dass diese eventuell urheberrechtlich geschützt sind.